(In) Visible Stories Netzwerktreffen

Das Projekt (In) Visible Stories- Maghrebinische Zwangsarbeiter:innen in der NS-Zeit bietet Räume für Community – Austausch zu verloren gegangener, verschütteter und unsichtbar gewordenen Geschichte. Gemeinsam wird das Wissen über die Verschleppung von Nordafrikaner:innen zur Zwangsarbeit in Nazi-Deutschland, aufgearbeitet, geteilt, neues Wissen kollektiv produziert und die Weitergabe in die Communitys gefördert.

Besuche von lokalen und überregionalen Erinnerungsorten und Gedenkstätten an die Opfer des Nationalsozialismus, wie dem Denkort Bunker Valentin in Bremen und Dialoge mit Appolinaire Apetor-Koffi zu Wissenshinterlassenschaften wie seinem Werk „Nordafrikanische Zwangsarbeiter der Baustelle des U-Boot Bunkers in Bremen-Farge und in den zugehörigen Lagern 1943-45,“ runden das prozessorientierte Projekt zur Förderung von Pluralen Perspektiven auf Erinnerungskulturen in Deutschland aus antisemitismus-und rassismuserfahrenen Community-Organisationen ab. 

Im dritten Vernetzungstreffen der Akteur:innen der historisch-politischen Bildung wird den Fragen nachgegangen: Wer hat die Deutungsmacht zu Begrifflichkeiten? Welche rassistischen Kontinuitäten im Sprachgebrauch erkennen Wir heute? Welche Begriffe werden durch Vereinnahmung und Umdeutung zur Diffamierung von BIPoC Communitys von Wem herangezogen? Wie und wollen Wir die Deutungsmacht zu Nafri zurück? 

Seit der Silvesternacht 31.12.2015 ist der Begriff Nafri negativ konnotiert und soll einen nordafrikanischen Intensivstraftäter bezeichnen. Gerade Jugendliche sind seither zunehmend vom Racial Profiling betroffen, werden rassifiziert und kategorisiert. Ursprünglich stellte Nafri lediglich eine Abkürzung von Nordafrikanern dar, was jedoch durch die mediale Hetze und auch die Polizei NRWs verändert wurde. In Folge der rassistischen Agenda lässt sich Aktivistin und Unternehmerin, Nadia Doukali, den Begriff patentieren. Eine expressive Widerstandsstrategie. Gleichfalls sieht die Vernetzungsgruppe darin eine Möglichkeit, sich den Begriff zurückzuholen. In der maghrebinischen Community sind die Meinungen zu dem Begriff umstritten, aber eins steht fest: Ein*e nicht – Nordafrikaner*in besitzt keine Deutungshoheit über den Begriff. 

Was vielen nicht bekannt ist, ist, dass ebendiese rassistische Hetze, sich nicht erst durch die Silvesternacht entwickelte. Bereits im Jahre 1920, als Nordafrikaner:innen als kolonialisierte Soldaten an Frankreichs Seite das Rheinland besetzten, wurden diese rassifiziert. Unter der rassistischen Agenda der „Schwarzen Schmach“ wurden sie als Sexualverbrecher und animalische, triebgesteuerte Wesen illustriert. Trotz der Tatsache, dass diese seit längerem das Leben in Deutschland proaktiv mitgestalten, findet eine kontinuierliche Diffamierung von Nordafrikaner:innen statt. 

Im Rahmen des Tages der Arbeit denken wir an die Gastarbeiter:innen, die im Zuge des Anwerbeabkommens nach Deutschland kamen. Das marokkanische Anwerbeabkommen wird im nächsten Jahr bereits 60 Jahre alt. Die schwere Arbeit, die die Gastarbeiter:innen für den Wiederaufbau stemmten, erhielt keine Anerkennung. Diese blieb auch für die Maghrebinischen Soldaten aus, welche als Kriegsgefangene in Arbeits- und Außenlager des KZ Neuengamme deportiert und dort zur Zwangsarbeit verdammt wurden. Dass einige die Zwangsarbeit nicht überlebten, bleibt unerwähnt. In der deutschen Erinnerungsarbeit mangelt es an Aufarbeitung und Anerkennung für die Maghrebiner:innen. Nicht nur soll der Begriff Nafri, sondern auch die rassistische Kontinuität und die koloniale Verflechtung in der maghrebinischen Community thematisiert werden.

Ein Text von Projektleiterin Mariam Belyouaou