Angela Jannelli, Kuratorin im Historischen Museum Frankfurt

Frau Jannelli, im Projekt "Frankfurt und der Nationalsozialismus – eine Gedächtnisplattform" haben drei Organisationen vier digitale Vorhaben umgesetzt: Wie kam es zu der Kooperation und welche Idee steht dahinter?

Frankfurt ist ein gutes Terrain für die Zusammenarbeit: Hier herrscht zum Glück bei fast allen Institutionen eine große Offenheit gegenüber Kooperationsprojekten. Daher standen das Historische Museum, das Jüdische Museum sowie das Institut für Stadtgeschichte dem Gedanken sehr offen gegenüber, nicht nur die Kräfte zu bündeln, sondern auch die Daten, um so die drei unterschiedlichen Digitalprojekte realisieren zu können: In der Frankfurt History App des Historischen Museums finden sich Informationen zu über 1.000 Orten, an denen NS-Geschichte ablesbar wird. Im Shoah Memorial Frankfurt des Jüdischen Museums werden die Biografien der über 12.000 aus Frankfurter deportierten und ermordeten Jüdinnen und Juden öffentlich zugänglich gemacht. Mit der Website Frankfurt und der NS wurde eine gemeinsame Plattform geschaffen, auf der die Bildungsangebote und Veranstaltungen kommuniziert werden können. Und weil man nur zusammen stark ist, haben wir diese Plattform auch für die vielen zivilgesellschaftlichen Initiativen geöffnet, die es in Frankfurt gibt.

Was können Geschichtsinteressierte aus Frankfurt und über die Stadt hinaus online entdecken?

Mit der App können Geschichtsinteressierte (auch vom Sofa aus) über 600 Orte ansteuern, die zeigen, wie sehr sich der Nationalsozialismus im gesamten Stadtraum abgezeichnet hat. Wir haben nicht nur die bekannten Orte in der App, wie den Römer – also unser Rathaus – , die Synagogen oder den Hauptbahnhof, sondern auch viele Orte mit „unsichtbarer Geschichte“, wie beispielsweise die zahlreichen Lager für Zwangsarbeiter:innen, die überall in der Stadt waren oder auch die vielen Büros der NSDAP-Ortsgruppen, von denen viele in Privatwohnungen waren. Mit dem Shoah Memorial Frankfurt wird an mehr als 12.000 Menschen erinnert, die als Jüdinnen und Juden verfolgt und ermordet wurden. Sie bekommen ein Gesicht und eine Geschichte. Es wird fortwährend überarbeitet, um damit die Erinnerung an jede einzelne Person wach zu halten. Beide Projekte sind übrigens partizipativ angelegt, sie können also erweitert werden. Nachfahren und Forscher:innen können Informationen oder Fotos zu Personen oder Orten beisteuern, Lehrkräfte können individuelle Touren in der App anlegen.

Sie bieten mit der Gedächtnisplattform auch ehrenamtlichen Initiativen und Geschichtsvereinen ein Forum: Was ist die Motivation dahinter?

In Frankfurt ging die Aufarbeitung der NS-Geschichte maßgeblich von zivilgesellschaftlichen Gruppierungen aus. Vieles von dem, was wir über den Nationalsozialismus wissen, haben sie erforscht, dokumentiert und damit auch gesichert. Einige Initiativen haben sich professionalisiert und zählen heute zu den etablierten Geschichtsinstitutionen, andere werden immer noch ehrenamtlich getragen und haben damit beschränkte Ressourcen und Kommunikationskanäle. Mit der Gedächtnisplattform wollten wir als große Geschichtsinstitution unsere Privilegien gewissermaßen teilen: Wir können so große Projekte wie dieses stemmen. Und wir können versuchen, dabei Strukturen zu schaffen, die vielen zugutekommen, indem wir beispielsweise für Sichtbarkeit und Öffentlichkeit sorgen.